08
Sep
2023

Von „Kumpel“ und „Steiger“ - Im Interview mit Klaus Herzmanatus

> Von „Kumpel“ und „Steiger“ - Im Interview mit Klaus Herzmanatus

Auf den Spuren des Bergbaus


Im dritten Teil unserer großen Zeche Hugo Reihe beschäftigen wir uns mit Begriffen und Anekdoten rund um die Zeche Hugo. Klaus Herzmanatus weiß als ehemaliger Grubenelektriker, Betriebsratsvorsitzender von zwei Bergwerken und Betreiber des „Kleinen Museums“ genau, was es mit Begriffen wie „Schlagwetter“ und „Steiger“ auf sich hat. Im großen Interview mit 4 Familii klärt er über die Sprache der Bergleute auf.

4 Familii: „Glück auf“ Herr Herzmanatus. Warum grüßen sich die Bergleute so?
Glück auf 4 Familii. „Glück auf“ bedeutet, man wünscht dem Kumpel, dass er wieder sicher und gesund aus dem Dunkel des Schachtes zu seiner Familie zurückkehrt. Eine weitere Bedeutung dieses Berggrußes ist, dass der Bergmann eine Menge an Bodenschätzen bei seiner Arbeit finden möge.

4 Familii: Der Kumpel ist also weitaus mehr als ein Klischee oder der gewöhnliche Freund heutzutage?
Ja, das ist er. Zumindest für die Bergleute. Das Wort Kumpel sagen wir nicht einfach so. Ein Kumpel ist für mich jemand, dem ich mein Leben anvertraue. Die Kameradschaft füreinander da zu sein und einzustehen, sich aufeinander verlassen zu können, prägt die gesamte Geschichte des Bergbaues. Das sagt einem jeder, der im Bergbau tätig gewesen ist. Bis unter Tage der Arzt kommt, bin ich im Zweifelsfall tot. Deshalb ist es so wichtig, dass man sich bei der Arbeit als Bergmann auf die Menschen, die mit einem zusammen da unten sind oder einen wieder rauf holen, verlassen kann.

4 Familii: Die Sprache des Bergmanns ist eine eigene. Für viele von uns hören sich Begriffe Flöz und Sohle völlig fremd an, was bedeuten sie?
Die „Sohle“ ist das Stockwerk eines Bergwerkes. Sie besteht aus dem Boden und der Decke des Gesteins. „Flöz“ wird in der Sprache des Bergbaus als eine Schicht mit nutzbarem Rohstoffinhalt, wie beispielsweise der Kohle bezeichnet.

4 Familii: Unter Tage gibt es verschiedene Positionen. Welche genau sind das?
Jeder hat unter Tage seine eigene Aufgabe. Da haben wir den Bergmann, der die Kohle aus dem Berg löst und als Hauer bezeichnet wird. Dann gibt es die Aufsichtspersonen in einem Bergwerk, die Steiger genannt werden. Am ehesten mit den heutigen Abteilungsleitern zu vergleichen, ist der Steiger je nach Grad für unterschiedliche Teilbereiche verantwortlich. Der Reviersteiger beispielsweise ist für die Einteilung von Arbeitsplätzen, Kontrollen und die Sicherheit unter Tage zuständig.

4 Familii: Typische Bilder vom Bergbau sind Drahtkörbe mit Schutzhelmen und verdreckter Bergmannskleidung. Als typischer „Kauenhimmel“ tituliert, zieren Hunderte von Körben an Drahtseilen die Decke von Kauen. Was ist darunter zu verstehen?
Bei der Arbeit unter Tage wird die Kleidung der Bergleute dreckig. Die Kaue ist der Raum, wo die Bergleute sich umziehen können. In der Schwarzkaue wird die schmutzige Arbeitskleidung gelagert. In der Weißkaue lagert die private, saubere Kleidung. Die beiden Bereiche werden durch Duschräume getrennt. Um Platz zu sparen, wurde die Kleidung in Drahtkörben platziert und konnte dann mit einem Drahtseil unter die Decke gezogen werden. So war sie nicht im Weg und der typische „Kauenhimmel“ entstand.

4 Familii: Häufig ist von sogenannten Schlagwetterexplosionen in einem Bergwerk zu hören. Was hat es damit auf sich?
Bei dem Begriff Schlagwetter handelt es sich um ein hochexplosives Gasgemisch, welches unter der Erde gebildet wird. Fossile Brennstoffe entwickeln sich in Millionen von Jahren aus Abbauprodukten von toten Tieren und Pflanzen. Durch verrottende Wälder entsteht sogenannter Torf. Wartet man einige Hundert Jahre, wird aus diesem Torf Braunkohle. Wartet man noch einige Hundert Jahre länger, entsteht Steinkohle. Hier ist die Gefahr sogenannter Schlagwetterexplosionen um ein Vielfaches größer. Durch die Nähe zum Erdmittelpunkt entstehen Temperaturen von bis zu 50 Grad. Diese Wärme nennt man auch geologische Tiefen-Therme. Denn je näher man dem Erdmittelpunkt kommt, desto wärmer wird es. Zusammen mit der Braunkohle bilden sich durch die Wärme Gase, die sich bei dem kleinsten Funken entzünden können. Diese Reaktion ist unter Bergleuten als „Schlagwetter“ bekannt.

4 Familii:
Bergbau als Altlast oder lebenslanges Erbe?
Ich finde es schlimm, dass der Bergbau als das Böse hingestellt wird. Ganz nach dem Motto: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan und jetzt kann man ihn als denjenigen hinstellen, deralles zerstörte. Natürlich entstehen mit dem Bergbau Altlasten, um die man sich kümmern muss, aber das ist bei fast allen Methoden der Gewinnung von Rohstoffen so. Wir haben das Ruhrgebiet von 1900 bis heute knapp 16 Meter durch den Kohleabbau abgesenkt. Wenn ich die Pumpen abstellen würde, dann würden wir hier mit einem Ruderboot rumfahren. Das Wasser, was aus den Pumpen rauskommt, wird gereinigt und wird als sauberes Wasser in den Rhein abgeführt.Das Grubengas, das sich hier auf Hugo bildet, wird durch vier Gaskraftwerke in Strom umgewandelt. Und Lagerräume, in denen umweltschädliche Stoffe gelagert wurden, wurden komplett ausgekoffert und gereinigt. Da findest du an jeder Tankstelle mehr Verunreinigungen im Erdreich. Ja, es ist eine Altlast, aber eine Altlast, mit der wir sicherlich gut leben können.

4Familii: Aber der Bergbau hat nicht nur graue Seiten. Welche Ereignisse gehörten denn zu den lustigen Augenblicken in Ihrer Laufbahn?
Es gab da mal einen Brief, den wir nach über einem Jahr Wartezeit als Antwort auf unser Schreiben bekamen. Wir hatten ein Schreiben an den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl geschrieben, indem wir den Verlust von Arbeitsplätzen beklagt und um ein Gespräch gebeten haben. Ein Jahr lang passierte nichts und dann kam plötzlich ein dreiseitiges Schreiben des Bundeskanzlers zurück. Adressiert war das Ganze an Herrn Hugo Bergwerk. Immer nett, wenn das Bergwerk ein Eigenleben entwickelt. Wer in die Geschichte der Zeche Hugo und des Bergbaus eintauchen möchte, kann dem kleinen Museum in der Schüngelbergsiedlung besuchen, dort gibt es neben der Geschichte von Hugo viel Wissenswertes über den Bergbau zu entdecken.

(jhu)