21
Aug
2023

Klaus Herzmanatus über die Zeche Hugo als Heimat

> Klaus Herzmanatus über die Zeche Hugo als Heimat

Ein Bergmann mit Herz


Einmal Kumpel, immer Kumpel. Klaus Herzmanatus und die Zeche Hugo sind untrennbar miteinander verbunden, denn ohne ihn gäbe es das Stück Industriegeschichte heute nicht mehr. Als im Jahr 2000 die letzte Schicht auf Hugo beendet wird, sollen die alten Anlagen abgerissen werden. Noch gut erinnert sich der 61-Jährige an den langen Kampf um den Erhalt der Zeche Hugo. Zwei bis dreimal die Woche kommt er auch heute noch auf das Gelände der ehemaligen Zeche. 

Generation Kumpel
In vierter Generation beginnt der damals fünfzehnjährige Klaus Herzmanatus seine Ausbildung zum Grubenelektriker auf der Zeche Hugo. Er ist der Letzte seiner Familie, der im Bergbau ausgebildet wird, denn sinkender Bedarf nach Kohle und steigende Kosten lassen den Beruf des Bergmanns unsicher werden. An der Abendschule holt er sein Fachabitur nach und wird anschließend zum
Jugendvertreter gewählt. Sechs Jahre später wird er 1987 als Betriebsrat von seinen Arbeiten als Bergmann unter Tage freigestellt. 1998 übernimmt er das Amt des Betriebsratsvorsitzenden der zusammengelegten Bergwerke Ewald und Hugo.
   

Malochen bis zur letzten Minute
Spätestens als der junge Betriebsratsvorsitzende Klaus Herzmanatus vor die Belegschaft tritt, um die Schließung bekannt zu geben, wird deutlich, dass er immer noch ein Bergmann durch und durch ist. Seine nachfolgenden Worte sind ernst gemeint: „Ihr könnt euch auf mich verlassen. Ich kann euch garantieren, dass wir als Betriebsrat für euch malochen bis zur letzten Minute. Hier wird keiner ins Bergfreie fallen.“ Für ihn geht neben unzähligen Arbeitsplätzen nicht nur ein Stück Heimat, sondern auch ein Stück Lebensgefühl mit der Schließung verloren. In den darauffolgenden Monaten gründet Herzmanatus das Jobcenter 2000 für Bergleute und vermittelt über 800 Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft. Herzmanatus hält sein Versprechen: Es fällt kein Bergmann ins Bergfreie. Bis die letzten Sachen aus der Grube herausgeholt werden und der letzte Bergmann versorgt ist, arbeitet Herzmanatus weiter. Ehrenamtlich führt er das kleine Museum, in der Schüngelbergsiedlung, das er gegründet hat, um die Erinnerungen an die Bergwerkgeschichte lebendig zu halten. 

Der Kampf geht weiter
Mit der Schließung der Zeche Hugo stellt sich die Frage, was aus dem Stück Bergwerkgeschichte wird. Pläne, die Zeche Hugo zu einem Besucherbergwerk umzufunktionieren, scheitern an Sicherheitserwägungen. Zu groß sind Kosten und Aufwand, um die Zechenanalagen zu erhalten. Übrig bleibt aus Sicht der Stadt Gelsenkirchen und der Ruhrkohle AG (RAG) nur der Abriss. Eine Maßnahme, die weder Klaus Herzmanatus noch viele Kumpel hinnehmen wollen. „Ohne die Zeche Hugo wäre der Stadtteil Buer ein Dorf geblieben. Etwas, das so vielen Menschen Arbeit, Brot und eine Heimat gegeben hat, lässt sich nicht einfach wegwischen“, erklärt Klaus Herzmanatus seine Entrüstung über die Entscheidung, die Zechenanlagen abreißen zu lassen. 

Ausdauer, die belohnt wird
Gemeinsam mit einigen ehemaligen Bergleuten und Sponsoren setzt sich Klaus Herzmanatus für den Erhalt der Anlagen von Zeche Hugo ein. Unter den Sponsoren sind prominente Persönlichkeiten wie Rudi Assauer, die das Vorhaben unterstützen. Herzmanatus will eine Möglichkeit finden, die Auflagen zu erfüllen, die von der Stadt aufgestellt werden, um die Zechenanlagen zu erhalten. Mit Finanzierungsplänen und stichhaltigen Argumenten gelingt es ihm die Entscheidungsträger der Stadt von den Abrissplänen abzubringen. 2006 geht das Grundstück schließlich in Erbpacht an den gegründeten Trägerverein Schacht 2 e. V. Der Verein hinterlegt 80.000 Euro als Sicherheit, um notfalls die Anlagen doch noch abreißen lassen zu können. Die Entscheidung, den Vertrag zu unterschreiben und das Risiko zu tragen, liegt bei dem Geschäftsführer Klaus Herzmanatus persönlich. „Natürlich hatte ich Angst. Aber wenn du drei Jahre für eine Sache gekämpft hast, dann willst du es auch durchziehen.“ Eine Einstellung, die charakteristisch für den ehemaligen Bergmann ist, der 2016 für sein jahrelanges Engagement im regionalgeschichtlichen Bereich mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet wird. 

Einmal Kumpel, immer Kumpel
Klaus Herzmanatus hat selbst unter Tage gearbeitet. Für ihn war jede Schicht ein Abenteuer. Er drang in Bereiche vor, die den meisten Menschen verborgen bleiben. Was ihn am Bergbau fasziniert, ist aber nicht nur das Abenteuer, sondern vor allem die Kameradschaft: Unter Tage, dort, wo die Zuverlässigkeit über alles geht, ist es der Zusammenhalt, der für Herzmanatus entscheidend ist. Die Ehrlichkeit, mit der die Kumpels untereinander sowohl über als auch unter Tage umgehen, ist auch heute noch knapp 22 Jahre nach der Schließung von Hugo ein fester Bestandteil von Klaus Herzmanatus Leben. „Wir Kumpels können ein ernstes Wort miteinander reden und uns sagen, was für ein großes Arschloch der andere ist und danach ein Bier zusammen trinken gehen“, fasst Klaus Herzmanatus das „Kumpelsein“ zusammen. „Für uns war klar, dass wir einander helfen müssen und uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen können.“ Das „Kumpelsein“ ist es auch, was auf dem stillgelegten Gelände der Zeche Hugo gelebt wird. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Trägervereins „Hugo Schacht 2 e. V.“ wird an Projekten wie der Erweiterung der nachgebauten Bergstrecke gearbeitet. Jeder nach seinen Stärken, alle zusammen und jeder für den anderen da, ganz wie zu alten Kumpelzeiten. Für Klaus Herzmanatus ist der Bergbau zu einer Lebensphilosophie geworden. „Wenn wir nicht mehr sind, dann bleibt etwas von uns übrig“, sagt Klaus Herzmanatus. Er bleibt mit dem Bergbau verbunden und ist ein Kumpel durch und durch: mit von der Arbeit gezeichneten Händen, einem verschmitzten Lächeln und jeder Menge Herz. 

(jhu)