23
May
2023

Im Gespräch mit Tim Vößing, dem Junioren-Weltmeister im Cruisergewicht*

> Im Gespräch mit Tim Vößing, dem Junioren-Weltmeister im Cruisergewicht*

Mit dem „Herqul“ Award*1 ausgezeichnet, zeigt Tim Vößing, dass im Boxen nicht nur Kraft, sondern auch Intelligenz und mentale Stärke eine entscheidende Rolle spielen. Der 24-Jährige ist Junioren-Weltmeister und deutscher Meister im Cruisergewicht und studiert derzeit Energiesystemtechnik an der Ruhr-Universität Bochum. Bis zu 12-mal die Woche trainiert er unter Trainer Sebastian Tlatlik bei Boxing Industry in Essen-Steele. Mit 4 Familii hat er über das Boxen, sein Studium und seine Siegermentalität gesprochen. 

Was bedeutet für dich das Boxen?
Ich will immer gewinnen und kann wahnsinnig schlecht verlieren, egal worum es geht. Aus diesem Grund sind für mich Teamsportarten immer schwierig, weil ich bei einer Niederlage dann auf das gesamte Team wütend bin. Beim Boxen bin ich selbst schuld, wenn ich verliere, da gibt es keine Ausrede. Es ist ein schöner Ausgleich zum Alltag für mich. Wenn ich im Ring stehe oder trainiere, dann habe ich nicht viel Zeit zum Nachdenken und kann gut dabei abschalten. 

Wer boxt, hat wenig im Kopf! Ein Klischee?
Es ist ein Klischee. Mit purer Gewalt kann man einige Siege im Boxen erzielen, aber um wirklich erfolgreich zu sein, gehört auch Intelligenz dazu. Boxen ist mehr als pures Draufhauen. Beim Boxen muss man anpassungsfähig sein, analysieren können und sollte dazu in der Lage sein, die Taktik schnell umsetzen oder auch ändern zu können. Deshalb hat die Auszeichnung mit dem „HERQUL“ in der Kategorie Youngster des Jahres mir besonders viel bedeutet. Ich will mit den Klischees aufräumen und zeigen, dass man trotz guten Benehmens auch im Boxring ernst genommen werden kann.

Hast du Vorbilder?
Henry Maske ist mein Vorbild. Ein KO-Schläger bin ich nie gewesen und werde ich auch nicht mehr. Mein Ziel ist es, sich auf technischer Seite zu duellieren und einen schönen Kampf zu liefern. 

Mit welchen Emotionen steigst du in den Boxring?
Emotionen versuche ich aus dem Ring zu verbannen. Natürlich ist eine gesunde Anspannung immer dabei, die gehört dazu. Viele Boxer sind sehr nervös, wenn sie in den Ring steigen. Ich bleibe eher entspannt. Steige ich in den Ring, sehe ich nur noch den sportlichen Wettkampf und blende alles andere aus. Mein Motto ist: Gib im Training alles, bereite dich gut vor und sorge dafür, dass du dir selbst nichts vorzuwerfen hast. Dann kannst du auch mit einem guten Gefühl in den Boxring steigen.

Welche Eigenschaften sind wichtig, um im Boxen Erfolg zu haben?
Eine mentale Grundstärke, Ehrgeiz und gewisse Standhaftigkeit gegenüber Gegnern sind im Boxen wichtig, um sich seinem Gegenüber behaupten zu können und ernst genommen zu werden. Das regelmäßige Training und die richtige Disziplin sind genauso wichtig wie eine gesunde Ernährung und die mentale Stärke. Nachzuweisen, dass man sowohl physisch als auch mental die richtigen Anpassungen treffen kann, die nötig sind, um zu gewinnen. Es ist ein Zusammenspiel aus Physis und Psyche.

Wie lassen sich Studium und das Boxen miteinander vereinbaren?
Meistens lässt sich beides gut miteinander vereinbaren. Im Profigeschäft finden in der Regel zwei und vier Boxkämpfe im Jahr statt. Dementsprechend suche ich mir die Termine aus und trainiere dann in der Wettkampfvorbereitung bis zu 12-mal in der Woche. Auch wenn ich das Boxen vielleicht ernster nehme als die Definition Hobby es vermuten lässt, ist es für mich ein Hobby. 

Apropos Hobbys. Bleibt denn neben Boxsport und Studium noch Zeit für andere Freizeitaktivitäten?
Mit meinem Studium, dem Boxen und meiner Arbeit im Familien­unternehmen bin ich gut ausgelastet. Wenn ich eine Sache als mein Hobby bezeichne, dann mache ich sie nicht halbherzig, das ist nicht mein Anspruch. Ich unternehme gerne etwas mit Freunden oder spiele Schach mit meinem Vater, aber als ernstes Hobby sehe ich das nicht an. 

Wer gewinnt?
Früher hatte ich keine Chance, gegen meinen Vater zu gewinnen. Mittlerweile sind es spaßige, ausgeglichene Partien. Ich bin ehrgeizig und möchte, wenn ich spiele, auch gewinnen, also schiebe ich häufiger mal eine Onlinepartie ein, um zu trainieren. Grundsätzlich bin ich ein sehr ehrgeiziger Mensch, wenn ich irgendwas nicht weiß oder kann, dann ärgert mich das und dann tue ich alles, um das Defizit auszugleichen. Verlieren geht wirklich gar nicht für mich, es ist keine Option.

Wie gehst du mit deinen Fehlern im Boxring um?
Die eigenen Fehler, die du begehst, die spürst du direkt. In der Regel versuche ich immer mich zu besinnen, mir einen vernünftigen Plan auszudenken und nicht emotional zu werden. Es wäre gelogen zu behaupten, dass mich Treffer eiskalt lassen und ich mich nicht auch mal über meinen Gegner ärgern würde. Das ist das Schöne am Boxen, ist der Gegner unkonzentriert oder geht mit roher Gewalt und purer Kraft in den Kampf, dann passieren ihm immer mehr Fehler und es wird für den Gegenüber leichter den Kampf zu gewinnen. 

Wie begegnest du der Konkurrenz?
Boxen erlernt man nicht in der Theorie oder am Sandsack, das kann man nur in Partnerarbeit lernen und umsetzen. Es sind schon Menschen nötig, mit denen man trainieren kann. Gerade im Boxen sind nicht immer nur die liebsten Leute unterwegs, die nehmen einen oft und gerne nicht ernst, bis man dann mit denen trainiert. Grundsätzlich ist der Respekt für jeden Sportler da. Jeder, der in das Boxen Arbeit und Leidenschaft reinsteckt und auch ein Stück weit seine Gesundheit auf Spiel setzt, verdient meinen Respekt. Den anderen zu respektieren und sich nach dem Wettkampf die Hand zu geben, gehört wie bei jedem anderen Sport dazu. 
(jhu)

Foto: 
ArtOfSense - Christoph Stenzel