26
Jun
2023

Auslandstiervermittlung mit Viva La Hund

> Auslandstiervermittlung mit Viva La Hund

Aus Alicante ins Ruhrgebiet

In meinem Wohnzimmer herrscht das Chaos: Papier liegt zerfetzt auf dem Boden, ein kleiner Tennisball kullert unter den Heizkörper und eine einsame Socke liegt quer auf einem Hocker. Verursacher des Chaos ist ein Hund namens „Nilo“. Er hat es sich auf dem Teppich bequem gemacht. Zufrieden liegt er zu meinen Füßen und wedelt gelegentlich mit seinem kleinen Schwänzchen. Seit fünf Monaten gehört der kleine Mischling zu meiner Familie.

Alles auf Anfang: Vorüberlegungen
Die Entscheidung einen Hund zu adoptieren habe ich mir nicht leicht gemacht. Bei meinen Abwägungen zu dem Thema spielten unter anderem die Themen Unterbringung, Platz, Kosten und Zeit eine große Rolle, denn eins ist klar, ich gehe eine lange Verpflichtung ein, an die eine große Verantwortung geknüpft ist. Bei meinen Recherchen zum Thema Hundeanschaffung stelle ich fest, dass der geeignete Kandidat einige Anforderungen erfüllen muss. Als Hundeanfänger brauche ich einen pflegeleichten Hund mit freundlichem Wesen. Ich beschließe: Es soll ein junger Hund werden. Wenn ich schon noch mal die Schulbank drücken muss, so will ich es gemeinsam mit meinem Hund machen. Am liebsten möchte ich einem Hund helfen, der ein neues Zuhause sucht. Es soll ein Hund aus dem Tierschutz werden. Im Internet stoße ich unter unzähligen Tierschutzorganisationen auf die Website von Viva la Hund. 
Der Tierschutzverein Viva la Hund hat es sich zur Aufgabe gemacht, Hunden und Katzen ein neues liebevolles Zuhause zu schenken. Gemeinsam mit 10 Tierheimen und Auffangstationen aus Portugal und Spanien hilft der, 2004 gegründete, Verein Tieren in Not. Seit 2022 sind auch Tiere aus einem ungarischen Tierschutzverein mit auf der Website der Viva la Hund e. V. gelistet.

Qual der Wahl: Die erste Kontaktaufnahme
Kleine und große Hunde schauen mich auf der Website von Viva la Hund an. Unter dem Foto werden mir, soweit bekannt, Daten zur Rasse, Alter, Größe, Gesundheitszustand und eine kurze Beschreibung des Charakters, der einzelnen Hunde, geliefert. „Nube“ passt zu den von mir gestellten Anforderungen. Ich nehme unter der angegebenen E-Mail-Adresse Kontakt auf. Schnell meldet sich Carla Frank, die 2. Vorsitzende des Vereins Viva la Hund bei mir und gibt mir nähere Informationen zu „Nube“. Sie vereinbart einen Termin zur Vorkontrolle mit einer ihrer Pflegestellen. 
Im Gegensatz zu anderen Organisationen, die sich auf den Auslandstierschutz und Vermittlung spezialisiert haben, setzt Viva la Hund auf die Unterbringung in langjährigen Pflegestellen. Im familiären Umfeld lernen die Pflegehunde von erfahrenen Hundehaltern das Familienleben kennen und können besser in Bezug auf ihren Charakter und eventuelle Ängste beurteilt werden. Erste Fragen lassen sich so bereits im Vorfeld abklären. Dem Verein Viva la Hund e. V. ist wichtig, dass die Hunde und deren neue Halter gut zusammenpassen. 

Es wird ernst: Die Vorkontrolle
Die Vorkontrolle, die bei der Vermittlung von Tierschutztieren üblich ist, lässt in mir Unsicherheit aufkeimen: Erfülle ich überhaupt die Voraussetzungen, um einen Hund zu adoptieren? Während der Vorkontrolle werden mir Fragen zur Haltung, meiner beruflichen und finanziellen Situation und meiner verfügbaren Zeit gestellt. Meine mangelnde Erfahrung in der Haltung von Hunden, ist kein Hindernis. Zwei Tage nach der Vorkontrolle meldet sich Carla Frank bei mir. Sie hat keine guten Nachrichten: „Nube“ ist inzwischen in Deutschland, sie braucht nach ersten Einschätzungen aber einen erfahrenen Halter. Ich komme leider nicht infrage. Während des Telefonates schaue ich mir die anderen Hunde an. Bei meiner Suche stoße ich auf „Nilo“. Der ein Jahr alte Mischling passt zu meinen Vorstellungen und schleicht sich mit seinen etwas zu groß geratenen plüschigen Pfoten und den abgewinkelten Öhrchen in mein Herz. 
„Nilo“ ist nur einer von 55 Hunden, die derzeit zur Vermittlung stehen. Einige davon befinden sich bereits in Deutschland bei Pflegestellen, andere warten unter anderem in den portugiesischen Tierheimen Beja und
Mertola darauf, nach Deutschland reisen zu können. Das Kennenlernen von Interessenten und Hund, nach positiver Vorkontrolle, erfolgt in der Pflegestelle.
Immer wieder kommt es vor, dass bereits vermittelte Tiere wieder in die Pflegestellen zurückgebracht werden. Mit zu den häufigsten Gründen gehören sich veränderte Lebensumstände und Anpassungsschwierigkeiten. Ist ein Halter irgendwann nicht mehr in der Lage, das von Viva la Hund vermittelte Tier zu halten, übernimmt der Verein dessen Weitervermittlung. 

Und los geht’s: Ein geeigneter Kandidat
Eine halbe Stunde später ruft Carla Frank mich zurück. Sie hat sich erkundigt, gemeinsam mit den Menschen, die „Nilo“ vor Ort betreuen, hat sie entschieden, dass „Nilo“ gut zu mir passen könnte. Nur fünf Tage später reise ich nach Wuppertal, um „Nilo“ kennenzulernen, den Carla Frank selbst vom Flughafen abgeholt hat. Gerade bei Hunden aus dem Mittelmeerraum besteht die Gefahr von Mittelmeerkrankheiten*, wie unter anderem Leishmaniose. Einer bei einem Hund unheilbaren Erkrankung, die durch Sandmücken übertragenen wird und tödlich verlaufen kann. Weshalb jeder Hund von Viva la Hund im Vorfeld der Vermittlung, falls möglich untersucht, geimpft und gechipt wird. Auch Tiere, die durch Misshandlungen oder schlechte Haltung, Erkrankungen oder Behinderungen aufweisen, werden von Viva la Hund medizinisch versorgt, aufgepäppelt und vermittelt. Alle Tiere haben, im Vorfeld der Vermittlung, die Zulassung des zuständigen Veterinäramtes erhalten. 

Im Herz geblieben: Eine tragische HeldinI
mmer wieder sind es schwere tierische Schicksale, mit denen Carla Frank bei ihren Besuchen in Portugal konfrontiert wird. Das Schicksal von „Maus“ ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. Bei einem Besuch in der privaten Auffangstation „Cuba“ in Portugal trifft sie auf einen Hund mit tiefen Wunden. Mit einer Schlinge um den Hals an einem Motorrad angebunden und mehrere Meter hinterher geschleift worden, war das Bauchfell der jungen Hündin zerfetzt. Viva la Hund nahm sich dem Hund an und ließ sie umgehend operieren. In Deutschland angekommen startete die „Maus“ dank Viva la Hund in ein sorgenfreies Leben bei herzlichen Menschen, die sie in ihrem neuen Zuhause willkommen hießen.

Volltreffer: Es passt!
Es ist so weit: Ich darf „Nilo“ kennenlernen. Ich verschenke mein Herz sofort an den kleinen Kerl mit dem Clownsgesicht und den tapsigen Pfoten, der mir in Carla Franks Wohnung direkt entgegengelaufen kommt. Nachdem wir uns etwas kennenlernen dürfen, händigt Carla Frank mir die Ausweis­dokumente aus. Sie informiert mich über die Mittelmeerkrankheiten, die auch nach einigen Monaten noch auftreten können und zeigt mir, wie ich „Nilo“ das Geschirr richtig anlege. Der kleine Hund lässt alles geduldig über sich ergehen. Auf der Fahrt drehe ich mich immer wieder zu „Nilo“ um. Kaum zu fassen, dass dieser süße Kerl nun meiner ist! 
Viva la Hund sorgt als eingetragener gemeinnütziger Verein neben der Abwicklung von Einreiseformalitäten für eine gesicherte Unterbringung der Tiere in Pflegestellen. Zu ihren Projekten zählen diverse Kastrationsaktionen, Futterspenden und finanzielle Unterstützung zur Versorgung und Unterbringung der Tiere.

Angekommen: Kennenlernen und Eingewöhnung
Es sind zwei Monate vergangen. Ich musste lernen, dass ein Hund nicht unbedingt ohne das ein oder andere Leckerli in eine Straßenbahn einsteigt. „Nilo“ akzeptiert mich inzwischen als Bezugsperson und Rudelchefin. Ich habe einen tollen Hund bekommen, der mit sichtlich Spaß beim Training dabei ist und noch engagierter die anschließenden Kuscheleinheiten genießt. In rund 30 Pflegestellen finden die Tiere bei Viva la Hund ein Zuhause auf Zeit. Dabei kann es sich wie bei „Nilo“ um wenige Stunden bis zu mehreren Monaten handeln. Alter, Gesundheitszustand, Charakter, Sozialverträglichkeit, Aussehen und Größe spielen bei der Vermittlung eine große Rolle. „Es sind oftmals Straßenhunde, die mit einem Koffer voller Erlebnisse reisen. Sie müssen sich erst langsam an den deutschen Alltag gewöhnen. Das erfordert Geduld“, erklärt Carla Frank. 

Happy End: Gemeinsam auf zu neuen Abenteuern
Inzwischen sind wir beiden ein tolles Team geworden und erleben gemeinsam viele Abenteuer. „Nilo“ ist mein Hund und genau das darf er bei mir sein: Ein glücklicher Hund mit Flausen im Kopf, der morgens um 5:30 Uhr an meinem Bett steht, mich freudig weckt und seine Streicheleinheiten einfordert. 

*
Mittelmeerkrankheiten: Vor allem im Mittelmeerraum vorkommende Erkrankungen, die durch Stiche von Sandmücken oder Zeckenbissen übertragen werden können.

Ihr habt einen Hund aus dem Tierschutz adoptiert?
Dann erzählt uns unter https://www.facebook.com/4familii/ 
von euren Erfahrungen. 

Zur Website von Viva la Hund geht es hier lang: https://www.vivalahund.de/home