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    • Mittwoch, 23. Oktober 2024

„Na hömma!“ – so spricht der Pott! - Die Sprache des Ruhrgebiets unter der Lupe

Ruhrdeutsch, Ruhrpottdeutsch oder auch Pottdeutsch, der besondere Dialekt des Ruhrgebiets, spiegelt die bunte Vielfalt unserer Region wider. Hier, wo Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenleben, hat sich eine ganz eigene Sprachmelodie entwickelt – direkt, herzlich und mit viel Charme. Doch was steckt hinter dieser besonderen Mundart? 4 Familii beleuchtet die Wurzeln und Eigenheiten unseres Pottdeutsches.

Das Ruhrgebiet und die Kohle
Im 19. Jahrhundert erlebte das Ruhrgebiet eine massive industrielle Revolution, die durch den Kohlebergbau und die Stahlproduktion angetrieben wurde. Dieser Umschwung verwandelte die zuvor eher ländlich geprägte Region in eines der wichtigsten Industriezentren Europas. Die Expansion der Zechen und Fabriken führte
zu einem enormen Bedarf an Arbeitskräften und konnte nicht allein durch die lokale Bevölkerung gedeckt werden. Daher kam es zu einer massiven Zuwanderung von Arbeitern aus verschiedenen Teilen Deutschlands, insbesondere aus ländlichen Regionen wie Ostpreußen, Schlesien und dem Rheinland. Auch aus benachbarten Ländern wie Polen, Italien, später aus Südeuropa und der Türkei. Jeder dieser neuen Bewohner brachte seinen
eigenen Dialekt oder seine eigene Sprache mit, was die sprachliche Landschaft des Ruhrgebiets stark prägte.

Die Entstehung des Ruhrgebietsdeutsch
Das Zusammenleben so vieler unterschiedlicher Sprachgemeinschaften auf engem Raum führte zwangsläufig zu einer Vermischung der Dialekte. Im Alltag der Industriearbeit musste sich verständigt werden, was zur Entstehung des sogenannten "Ruhrdeutsch" führte. Diese neue Form des Deutschen war stark von den niederdeutschen Dialekten beeinflusst. Sie integrierten zahlreiche Elemente aus anderen deutschen Dialekten sowie aus den Sprachen der Migranten. Das Ruhrdeutsch zeichnete sich durch seine Pragmatik aus. Es war eine direkte, unkomplizierte und oft humorvolle Sprache, die an den rauen Alltag in den Zechen und Fabriken angepasst war. Schnell entwickelte sich diese Form des Sprechens zu einem Markenzeichen der Region und unterschied sich klar von den Dialekten benachbarter Gebiete.

Der Einfluss des Bergbaus
Der Bergbau spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Ruhrdeutschs, sowohl in Bezug auf die Sprache selbst als auch auf die Mentalität der Menschen. In den Tiefen der Zechen, wo der Alltag oft gefährlich und anstrengend war, entwickelten die Bergleute eine Reihe von Fachbegriffen und Redewendungen, die spezifisch für ihre Arbeit waren. Begriffe wie "Kumpel", "Maloche" oder "Pütt" stammen direkt aus dieser Arbeitswelt und
wurden bald Teil der Alltagssprache im Ruhrgebiet. Die Sprache reflektierte den Zusammenhalt und die Solidarität der Bergleute, die in extremen Bedingungen oft aufeinander angewiesen waren. Diese Solidarität und die damit verbundene direkte Art der Kommunikation prägen bis heute den Umgangston im Ruhrgebiet. Auch wenn die großen Zechen heute stillgelegt sind, lebt das Ruhrdeutsch als lebendiger Teil der regionalen Kultur weiter. Ruhrdeutsch ist mehr als nur ein Dialekt – es ist das Zeugnis der Geschichte, der harten Arbeit und des Gemeinschaftsgefühls, das die Region bis heute prägt.

So spricht der Pott – Begriffe to go:

"Gib mich die Kanne!":  „Gib mir die Bierflasche!“ – meist an einem geselligen Trinkabend verwendet.
"Lieber wat in der Tasche als nix am Kopp.":  Bedeutet, dass man lieber auf Nummer sicher geht oder etwas Sicheres hat als Risiken einzugehen.
"Hömma, dat kannse knicken.": „Hör mal, das kannst du vergessen.“ – Eine klare Ansage, dass etwas nicht funktioniert oder aussichtslos ist.
"Komm inne Pötte!": Aufforderung, sich zu beeilen oderendlich in die Gänge zu kommen.
"Pott": Bezeichnung für das Ruhrgebiet, auch „Ruhrpott“.
"Malochen": Arbeiten, oft ist damit anstrengende Arbeit gemeint. Ein „Malocher“ ist eine Person, die körperlich hart arbeitet, insbesondere damals im Bergbau.
"Bütterken": Ein Butterbrot oder belegtes Brötchen.
"Knifte":Ebenfalls ein Begriff für ein belegtes Brot, oft mit einer herzhaften oder einfachen Belegung.
"Kumpel": Ursprünglich Bergmannskollege, heute allgemein als Bezeichnung für einen guten Freund oder Kumpel verwendet.
"Stulle": Noch ein Wort für ein belegtes Brot, vor allem im nördlichen Teil des Ruhrgebiets verbreitet.
"Tach auch!": Typischer Gruß im Ruhrgebiet, bedeutet „Guten Tag!“.
"Glück Auf!": traditioneller Gruß der Bergleute, der ihnen Glück beim Öffnen neuer Erzadern und beim sicheren Wiederheraufkommen aus der Grube wünschte.
"Schwatt": Ruhrdeutsches Wort für „schwarz“. Oft in Bezug auf die Kohle, die im Ruhrgebiet abgebaut wurde.
"Büdchen" / "Bude": Kleiner Kiosk, an dem man Getränke, Snacks, Zeitungen und allerlei Kleinkram kaufen kann. Die Büdchen-Kultur ist bei uns im Ruhrgebiet sehr stark ausgeprägt.
"Plörre": Bezeichnung für ein minderwertiges, nicht gut schmeckendes Getränk – oft Kaffee oder Bier.
"Pillepalle": Bezeichnung für eine einfache oder belanglose Sache, die nicht der Rede wert ist.
"Hackepeter": Rohes, gewürztes Schweinemett, das oft auf Brot gegessen wird.
"Bölken": Laut schreien oder grölen, besonders wenn jemand wütend ist.
"Flitzpiepe": Eine scherzhafte Bezeichnung für jemanden, der sich leichtsinnig und ungeschickt verhält.
"Gibbet": „Gibt es“.
"Trallafitti": Vergnügen, Unterhaltung, "auf Trallafitti gehn" - ausgehen, sich amüsieren.
"Moppern": Meint meckern, schimpfen, nörgeln.
"Pille":  Umgangssprachlich für einen Fußball, typisch für das Ruhrgebiet mit seiner tiefen Fußballkultur.
"Töfte": Ein altmodischer aber sympathischer Ausdruck für „gut“ oder „prima“.
"Runna": Abwärts, nach unten, runter, „Komm runna“ oft genutzt als „Bleib locker, komm runter“.
"Kopp": Der Kopf.

Foto: Sascha Franz