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Wie ihr miese Stimmung in den Ferien vermeidet
Endlich ist es so weit, die Tage bis zu den Ferien sind gezählt. In Nordrhein-Westfalen sind wieder die Sommerferien gestartet. Manche Familien holen die Koffer aus dem Keller und freuen sich auf die langersehnte Reise, andere bleiben hingegen zu Hause. Lange Gesichter und miese Stimmung sind vorprogrammiert. Grund dafür ist selten der fehlende Urlaub. Ein Mix aus unterschiedlichen Interessen, erhöhten Erwartungen und Langeweile lässt die Ferien häufig zur Zerreißprobe für die ganze Familie werden.
Vor einigen Wochen habe ich mich auf die Suche nach einem Thema für unsere Kolumne begeben. Während ich Themen durchstöberte, spielten sich bereits bei Alexandra, einer guten Freundin, die ersten Dramen am morgendlichen Frühstückstisch ab. Fasziniert hörte ich zu, wie sie mir von kindlichen Wutausbrüchen, Tränen und Gemotze berichtete. Sie erzählte von der sechsjährigen Emily, die weinte, weil ihre neunjährige Schwester Anna sich das letzte Buttercroissant geschnappt hatte. Während also ein erbitterter Streit um das französische Gebäckstück tobte, tippte ein übermüdeter dreizehnjähriger Noah auf seinem Handy herum. Unterdessen raschelte es hinter der Zeitung, hinter der sich Familienvater Sven verkrochen hatte. Schließlich brummte er, dass Alexandra doch endlich den Streit schlichten solle, schließlich würde es gleich in den Zoo gehen. Von Harmonie oder Freude über das ausgedehnte gemeinsame Frühstück am zweiten Ferientag herrschte hier keine Spur. Jährlich gibt es 75 Ferientage in Deutschland. Knapp ein Viertel aller Familien bleiben während der Ferien zuhause. Während einige von ihnen Tagesausflüge oder Aktivitäten planen, verlassen sich andere ganz auf das Schema: Ferien sind Attraktion genug! Und damit haben sie nicht Unrecht, denn nicht immer dienen gemeinsame Ausflüge oder Animationen seitens der Eltern als Harmoniegarantie in den Ferien.
Unterschiedliche Interessen
Keine Schule, viel Freizeit und gemeinsame Familienaktivitäten sind doch kein Grund für Unmut. Also woher kommen Streitigkeiten und schlechte Laune in den Ferien? Denn bei vielen Familien hängt der berühmte Haussegen spätestens nach der ersten Ferienwoche schief. Die Nacht wird zum Tag, es herrscht Streit unter Geschwistern und gemeinsame Ausflüge stellen die Geduld aller auf eine harte Probe. Es scheint fast so, als wäre der Nachwuchs mit so viel Freizeit überfordert. Sind fehlende Aufgaben und Strukturen der Übeltäter? Wohl kaum! Ist euch aufgefallen, dass längst nicht alle einen geplanten Ausflug mit Begeisterung aufnehmen? Schuld ist häufig das unterschiedliche Alter der Familienmitglieder. Dabei lassen sich nicht immer alle Altersunterschiede oder Interessen zusammenbringen. Oftmals endet der Ausflug mit gestressten Eltern, motzenden Teenagern und quengelnden Kindern im Auto. Spätestens dann, wenn der schmmollende Teenager die Aktivität boykottiert, rückt der Wunsch eines Familienmitgliedes, etwas gemeinsam zu unternehmen in die Ferne. Klar, dass bei einem Besuch im heimatlichen Zoo der dreizehnjährige Noah vermutlich eher gelangweilt in der Ecke stehen wird. Während seine Geschwister begeistert ihre Hände im Fell eines wolligen Schafes versenken. Auch ein spendiertes Eis wird Noah vermutlich nicht dazu bringen, enthusiastisch Schaf, Seehund oder Pelikan zu bestaunen. Denn seien wir mal ehrlich: Ein Zoobesuch ist für einen Teenager nicht unbedingt der Freizeithit. Der würde sich vermutlich bei einer coolen Graffiti-Aktion viel wohler fühlen. Doch wo bleiben da die Bedürfnisse von Anna, Emily oder gar der Eltern Alexandra und Sven? Genau: Auf der Strecke! Eine gemeinsame Unternehmung zu finden, an der alle Spaß haben, ist häufig nicht so leicht. Oft sind es geplante Aktivitäten, die auf die Bedürfnisse eines einzelnen Familienmitgliedes abzielen, die zu Streit, Unmut und mieser Laune führen.
Tipp der Redaktion: Schaut gemeinsam, ob ihr Aktivitäten findet, zu denen keiner hin geschleift werden muss, sondern alle gleichermaßen Spaß haben.
Erzwungene Kompromisse und erhöhte Erwartungen
Auch der viel gerühmte Kompromiss führt häufig zu Konflikten. Denn nicht jeder ist begeistert, bei seinen selbst ausgesuchten Aktivitäten ständig Rücksicht zu nehmen. Und das ist auch gar nicht nötig. Wie häufig gehen wir im Alltag Kompromisse ein, nehmen Rücksicht oder stellen unsere eigenen Bedürfnisse zurück? Wer sagt denn, dass man sich in seiner Freizeit an einen vorgeplanten Tagesablauf halten muss? Da hat keiner Lust zu. Jeder freut sich auf die langersehnte und verdiente Freizeit und jeder hat eigene Ideen, wie diese am besten verbracht wird. Vielleicht ist ein Graffiti-Event mit Noahs besten Kumpels sowieso cooler als mit den kleinen Schwestern und Eltern. Anna wird auf dem Spielplatz des Zoos begeistert die Seilbahn beanspruchen, während Emily die Ziegen füttert. Beide haben wahrscheinlich mehr Spaß, wenn sie nicht vom Rest der Familie weitergetrieben werden. Während Mutter Alexandra die Zeit mit ihren Töchtern in Ruhe genießen kann. Nicht immer müssen alle Familienmitglieder in eine Aktivität eingebunden sein. Durch voneinander getrennte Unternehmungen können viele Bedürfnisse gleichzeitig erfüllt werden.
Tipp der Redaktion: Plant eure persönlichen Freiräume ein. Diese Zeiten können alleine oder auch gemeinsam mit Freunden oder Mitgliedern der Familie verbracht werden.
Freie Zeit nutzen
Kennen wir das nicht alle? Vor lauter freier Zeit wissen wir nichts mit uns anzufangen. Uns ist salopp gesagt: saulangweilig! Schlecht gelaunt vertrödeln wir den Tag, sind unausgeglichen und fangen an, einander auf die Nerven zu gehen. Anders geht es dem Rest unserer Familie auch nicht. Doch nicht jeder Ferientag muss deshalb mit Aktivitäten verplant werden. Ruhige Tage sind genauso wichtig wie die Fähigkeit, sich eigenständig zu beschäftigen. Ob sich unsere Kinder zusammentun und den heimatlichen Garten zur Piratenfestung erklären oder in der Ecke herumlungern, ist egal. Vielleicht entdeckt Noah, während er seinem Vater bei der Reparatur der Familienfahrräder hilft, sein handwerkliches Talent? Auch eine gemeinschaftliche Entrümpelung der Garage kann zu einem tollen Familienevent werden. Wer sagt denn, dass man den gewonnenen neuen Raum nicht mit einer Nachbarschaftsparty am Abend einweihen kann? Langeweile kann ein Motivator sein, auch mal Liegengebliebenes zu erledigen, Fähigkeiten zu erlernen oder Neues zu entdecken.
Tipp der Redaktion: Listet unerledigte Dinge auf und entscheidet gemeinsam, was angegangen werden kann. Ganz wichtig: belohnt euch dafür. Egal ob anschließend oder währenddessen!
Planungen über Bord werfen
Zum Schluss noch ein guter Rat: Eure Pläne fallen ins Wasser? Hey, was solls! Schließlich sind Ferien. Dann macht ihr die Aktivität eben am nächsten Tag. Ferien sind auch die Zeit, Pläne zu verwerfen. Denn plötzlich tauchen alle Familienmitglieder im heimatlichen Wohnzimmer auf. Gut gelaunt wird von Erlebnissen berichtet oder sich köstlich vor dem Fernseher über die urkomischen Geräusche eines Otto Waalkes amüsiert. Ganz ohne Zwang, Erwartungen, Plan oder Kompromiss und vor allem mit Spaß. So bekommt ein spontaner Familienabend plötzlich eine völlig andere Bedeutung. Mein ganz persönlicher Tipp, den ich übrigens auch meiner inzwischen völlig aufgelösten Freundin mit auf den Weg gegeben habe: Einfach mal den Druck herausnehmen. Denn ein harmonisches Familienleben besteht nicht unbedingt aus gemeinsamen Ausflügen oder Aktivitäten.
Foto: Pixabay