Lädt...
Geht man mit offenen Augen durch das oft gescholtene Ruhrgebiet erkennt man, dass es dort viel grüner ist als oft angenommen. Einen besonderen Teil dieser grünen Lunge nehmen ungewöhnlich geformte Berge ein – die sogenannten Halden. Diese Erhebungen sind keine natürlichen Formationen, sondern Zeugnisse der industriellen Vergangenheit des Reviers. Sie sind Orte des Abenteuers, der Kunst und der Erholung. 4 Familii wirft für euch einen Blick auf die Entstehung und Bedeutung von Halden und stellt euch ein paar davon vor.
Was sind Halden?
Halden sind künstlich aufgeschüttete Berge aus Gesteinsmassen, die beim Steinkohleabbau als Abfallprodukt anfielen. Bei der Kohleförderung unter Tage kam stets auch taubes (also nicht verwertbares) Gestein mit ans Tageslicht. Millionen Tonnen davon wurden über Jahrzehnte zu imposanten Hügeln aufgetürmt. In der Hochphase des Steinkohlebergbaus waren diese Hügel ein notwendiges Übel – rein funktional, grau und unzugänglich. Doch mit dem Strukturwandel des Ruhrgebiets änderte sich ihr Schicksal hin zu den heute typischen Landmarken der Region. Viele Halden wurden begrünt, für die Öffentlichkeit begehbar gemacht und aufwändig zu Freizeit- und Erholungsflächen umgebaut.
Vom Abfallprodukt zum Freizeitparadies
Heute sind Halden beliebte Ausflugsziele für Wanderer, Radfahrer, Fotografen und Familien. Ihre besonderen Lagen machen sie zu idealen Aussichtspunkten. Bei gutem Wetter reicht der Blick vom Haldenkamm über das gesamte Ruhrgebiet. Von so mancher Halde sieht man gar bis zum Düsseldorfer Fernsehturm oder zu den Höhen des Sauerlandes. Besondere Highlights sind Halden mit skulpturalen Bauwerken, die nicht nur optisch etwas hermachen, sondern auch begehbar sind. Dazu gehören beispielsweise das Tetraeder auf der Halde Beckstraße in Bottrop oder die Achterbahn-Skulptur Tiger & Turtle auf dem Magic Mountain in Duisburg. Diese Landmarken sind mehr als nur Kunst – sie symbolisieren den Wandel der Region und den Stolz auf die Vergangenheit, die für immer ein Teil der Identität bleiben wird.
Halden als Biotope und Klimaretter
Neben ihrer kulturellen und freizeitlichen Bedeutung erfüllen Halden auch eine wichtige ökologische Funktion. Die Begrünung der ehemaligen Schutthaufen schuf neue Lebensräume für Flora und Fauna. Seltene Arten wie der Neuntöter (Vogel), verschiedene Orchideen oder Fledermäuse finden auf den Hügeln Rückzugsorte, die in der urbanen Landschaft rar geworden sind. Zudem wirken Halden als Frischluftentstehungsgebiete. Durch ihre Höhe und die spärliche Bebauung sind sie wichtige Elemente der Stadtklimaregulierung. Besonders im Sommer tragen sie zur Abkühlung überhitzter Städte bei.
Abenteuer für alle – direkt vor der Haustür
Die Halden des Ruhrreviers sind heute Orte, an denen sich Geschichte und Zukunft, Natur und Technik sowie Kunst und Freizeit begegnen. Ob ein gemütlicher Spaziergang mit Panoramablick, eine Radtour über staubige Pfade oder ein romantischer Sonnenuntergang über dem Pott – hier ist für jeden etwas dabei. Wer sich auf das Abenteuer Halde einlässt, kann nicht nur viel entdecken, sondern erlebt auch die Kraft der Transformation: was einst als Abfall galt, wird heute als Schatz neu interpretiert. Und das alles vor der eigenen Haustür.
4 Familii empfiehlt
Halde Rungenberg
Die Halde Rungenberg in Gelsenkirchen-Buer ist eine rund 115 m ü. NN¹ hohe Zechenhalde². Sie entstand durch Abbau in der Zeche Hugo. Heute führt von der Siedlung Schüngelberg eine ungefähr 300 Stufen umfassende Treppe hinauf zu einer Schuttpyramide, die in der Mitte durch ein Tal geteilt wird. Auf den beiden Pyramidenteilen thronen rostige Scheinwerfer, welche Richtung Himmel ausgerichtet sind und bei vollem Schein die Pyramide zu einem Ganzen ergänzen. Diese Installation stammt aus dem Jahr 1992 und nennt sich „Nachtzeichen“. Von der Halde lässt sich das gesamte Ruhrgebiet überblicken und besonders Fans des FC Schalke 04 wissen die Aussicht auf die Arena zu schätzen.
Halde Rheinelbe
Die Halde Rheinelbe befindet sich in Gelsenkirchen-Ückendorf und ist eine Bergehalde³, die 106 m ü. NN hoch ist. Bis zur Schließung der Zeche Rheinelbe im Jahre 1928 wurde die Halde aufgeschüttet. Auch danach wurden Baustoffe und weitere Materialien zur Aufschüttung abgeladen. Mitte der 1970er-Jahre begann schließlich die Begrünung. Infolgedessen wurde die Halde für Besucher geöffnet und die Himmelstreppe (auch Himmelsleiter genannt) errichtet – heute ein sehr beliebtes Fotomotiv, welches auf der Spitze thront. Am Fuße des Hügels findet ihr zudem den 1990 eröffneten Skulpturenwald, der ebenfalls zum Erkunden einlädt.
Halde Hoheward
In Herten, an der Grenze zu Gelsenkirchen-Resse bzw. zu Recklinghausen, befindet sich die Halde Hoheward. Die Bergehalde entstand aus Schüttungen der Zechen Recklinghausen II, Ewald und General Blumenthal/Haard. Gemeinsam mit der Halde Hoppenbruch und der Zentraldeponie Emscherbruch bildet Hoheward die größte Haldenlandschaft des Ruhrgebiets. Neben atemberaubenden Ausblicken bietet das Areal viele weitere Highlights: ein Horizontobservatorium, eine 3000 m² große Sonnenuhr mit Obelisken auf rund 140 m ü. NN, eine Drachenbrücke sowie eine Balkonpromenade von 6,4 km Länge mit 10 Aussichtsplattformen und einer Himmelsstiege.
Halde Beckstraße
Der Blickfang der Halde Beckstraße in Bottrop ist eindeutig das Tetraeder. Die Bergehalde des Bergwerks Prosper-Haniel ist eine der beliebtesten des Ruhrgebiets. Ihr Gipfel ragt rund 110 m ü. NN und bietet zusätzlichen Nervenkitzel beim Besteigen des Tetraeders. Aufgrund der Höhe und der durchsichtigen Stufen wird so manchem Besucher schon mal schwindelig und der Aufstieg muss vorzeitig abgebrochen werden. Schafft man es jedoch bis ganz nach oben, wird man mit einer einzigartigen Aussicht über das gesamte Ruhrgebiet (und darüber hinaus) belohnt. Auch die Halde Haniel, ebenfalls in Bottrop gelegen, ist immer wieder einen Besuch wert. Diese wird jedoch aktuell saniert.
¹ ü. NN: über Normalnull
² Zechenhalde: Halden aus dem Tiefbau des Bergbaus
³ Bergehalde: andere Bezeichnung für Zechenhalde
Text & Bild: Sascha Franz