24
May
2023

Der Gartenschläfer ist Tier des Jahres 2023

Freizeit > Der Gartenschläfer ist Tier des Jahres 2023

Es raschelt, murmelt und pfeift draußen, die Gartenschläfer sind aus ihrem Winterschlaf erwacht. Die deutsche Wildtierstiftung hat die faustgroße Schlafmaus zum Tier des Jahres 2023 gekürt. Sie will die Aufmerksamkeit auf den kleinen Verwandten von Siebenschläfer und Haselmaus lenken, denn der Gartenschläfer ist auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. 4 Familii hat sich für euch den kleinen Bilch mit der schwarzen Gesichtsmaske genauer angeschaut.

Wer genau hinschaut und etwas Glück hat, erkennt den kleinen scheuen Gartenschläfer, der aus einem Spalt in der bröckelnden Mauer an einem Parkgelände auftaucht. Auf der Suche nach Nahrung durchstreift der Gartenschläfer unsere Gärten, Wälder, Parkanlagen und Obstplantagen. Laut grunzend und murmelnd trottet er am Wegesrand entlang. Er ist auf der Suche nach einer Partnerin. Ein Pfeifen lockt ihn zu einem paarungsbereiten weiblichen Gartenschläfer.

Der Zorro unter den Bilchen
Der seltene Gartenschläfer, ist eine von dreißig verschiedenen Bilcharten, die auch als Schlafmäuse bezeichnet werden. Die schwarze Gesichtsmaske verleiht dem zehn bis fünfzehn Zentimeter großen dämmerungs- und nachtaktiven Nagetier neben seinem Spitznamen sein einzigartiges Aussehen. Sie umschließt die Augen des kleinen „Zorros“ wie eine Brille und läuft entlang des Kopfes bis unter die Ohren. Das Fell des Gartenschläfers ist rötlich-braun bis grau, seine empfindliche Unterseite ist creme-weiß. Bei seinen Kletterkünsten kommt dem Bilch mit den großen Ohren sein langer buschiger Schwanz zu Gute, der ihm hilft, sein Gleichgewicht zu halten. Eine Sollbruchstelle sorgt dafür, dass die kleine Schlafmaus bei Gefahr einen Teil ihres Schwanzes abwerfen kann.Es ist Mitte Mai und kuschelig warm in dem kugelförmigen Nest aus Moos, Federn, Gras, Laub und Haaren. Die fünf kleinen Gartenschläfer liegen eng aneinander gekuschelt und genießen die Wärme. Sie sind gerade mal eine Woche alt und werden von ihrer Mutter gesäugt. Es vergehen noch elf Tage, bis die „Mini-Zorros“ das erste Mal die Augen öffnen und ihre Welt mit allen Sinnen wahrnehmen werden.

Von Siesta bis Winterschlaf
Das Verbreitungsgebiet des Gartenschläfers, lateinisch Eliomys quercinus, reicht von Südportugal über die Bretagne bis nach Russland. Je nach herrschenden Temperaturen variiert die Aktivität des kleinen Bilches. Während der Gartenschläfer beispielsweise in Spanien das ganze Jahr über aktiv ist und lediglich während der heißen Mittagszeit einige Stunden Siesta einplant, verschläft er hierzulande ganze sechs Monate. Dabei reduziert sich sein Stoffwechsel und er senkt seine Körpertemperatur bis auf minus ein Grad ab. Das kleine Herz schlägt während der langen Ruhephase von Ende Oktober bis April nur noch zweimal pro Minute. Während dieser Zeit verbirgt sich der Gartenschläfer in Felsspalten und Baumhöhlen oder brüchigen Mauern an Gebäuden.Anfang Juni ist es nicht nur ordentlich warm, sondern auch ziemlich eng in dem kleinen Nest des Gartenschläfer-Nachwuchses geworden. Die kleinen fünf Babys sind seit ihrer Geburt ihre Körpergröße von vier Zentimetern auf sieben Zentimeter knapp verdoppelt. Ihr Gewicht haben sie in den letzten zwei Wochen fast verzwanzigfacht. Inzwischen haben die Minibilche die Augen geöffnet. Noch werden knapp zwei Wochen vergehen, bevor sie die ersten Versuche wagen, das Nest zu verlassen.

Reichhaltiger Speiseplan
Wie allen Bilcharten fehlt auch dem Gartenschläfer der zur Verdauung faserreicher Bestandteile notwendige Blinddarm. Er ist deshalb auf tierische Kost angewiesen. Als Allesfresser stehen Spinnen, Käfer und Tausendfüßer genauso auf dem Speiseplan des Gartenschläfers wie Beeren und Früchte. Auch Kleinvögel, Mäuse und Vogeleier erbeutet der kleine Bilch des Öfteren. Hecken, Sträucher und Streuobstwiesen gehören deshalb zu den bevorzugten Gebieten seiner Nahrungssuche. Als Anpassungskünstler profitiert der Gartenschläfer nicht nur vom Obst- und Gemüseanbau, sondern bedient sich gerne am Vogelfutter, was die Menschen verteilen. Um für den Winterschlaf gut gerüstet zu sein, frisst sich die Schlafmaus eine Fettschicht an, die sie warmhält und ihr als Energiereserve dient. Dabei kann sie ihr Gewicht von 90 Gramm auf bis zu 130 Gramm steigern. Ende Juni ist das Nest mit dem Bilch-Nachwuchs verlassen. Die kleinen Gartenschläfer erkunden ihre Umwelt im Familienverband. Inzwischen sind sie alt genug, um allein zu leben. Sie nehmen Nahrung auf und erproben an Sträuchern und Mauern ihre ersten Kletterkünste. Auch wenn ihre Entwicklung abgeschlossen ist, werden die jungen Schlafmäuse ihren ersten Winterschlaf ab Ende Oktober zusammen verbringen, bevor sie ihre eigenen Wege gehen.

Ein Lebensraum voller Gefahren
 
Zu den natürlichen Feinden des Gartenschläfers zählen Füchse, Marder, Ratten und Greifvögel. Aber auch die Nähe zu Siedlungen birgt für den kleinen Nager Gefahren. So macht die Hauskatze ebenfalls gerne Jagd auf den kleinen Kerl mit der Zorro-Maske. Neben den Fressfeinden stellen über Obstbäume gespannte Fressschutznetze, Regenwassertonnen und Giftköder weitere Gefahren für den Gartenschläfer dar. Zudem reduziert eine Intensivierung der Forstwirtschaft den natürlichen Lebensraum des Gartenschläfers. Die deckende Kraut- und Strauchschicht, die dem Gartenschläfer Nist- und Versteckmöglichkeiten bietet, ist in vielen stark beforsteten Wäldern immer seltener anzutreffen. Wenige verschiedene Arten von Nadelbäumen, sogenannte Monokulturen, bieten dem kleinen Bilch nicht genug Nahrung. So hat sich in den letzten dreißig Jahren das Verbreitungsgebiet des Gartenschläfers um die Hälfte reduziert. Ob der fehlende Lebensraum und ein klimabedingter Wandel verantwortlich an dem erheblichen Rückgang der Population des Gartenschläfers sind, bleibt unklar. Inzwischen ist es Ende Oktober geworden. Während der Gartenschläfer-Nachwuchs es sich im behaglichen Nest bequem gemacht hat ist der Vater des Wurfes nach dem Paarungsakt längst weitergezogen. Er ist Einzelgänger. Mit knapp fünf Jahren hat er als männliches Tier seine Lebenserwartung erreicht. Ein letztes Mal wird er in einer Felsspalte Schutz vor der Kälte suchen und Winterschlaf halten. Sein Nachwuchs wird nächsten Frühling ebenfalls auf Partnersuche gehen.   

Text: (jhu)       
Foto: depositphotos